Tief in meiner Essenz verwurzelt liegt die aufwühlende Frage „Wie kann das gehen mit uns als Menschen hier auf diesem Planeten?“
Erlaube mir einen freien Blick auf die ungeschminkte Wahrheit. Im Moment sieht es so aus, als würde es eben nicht gehen mit uns hier auf diesem Planeten. Wir zerstören nicht nur unser eigenes Leben, wir reißen auch das Leben um uns herum, Tiere, Pflanzen und das feine atmosphärische Gleichgewicht, das uns alle nährt, mit in den Abgrund. Unser Kompass ist auf Zerstörung eingestellt. Die Gründlichkeit und die Konsequenz, mit der wir uns unserer Basis berauben, hat etwas Erschreckendes.
Lass uns für ein oder zwei Atemzüge aus dem hypnotischen Sog der Überwältigung heraustreten, im Aktivismus kurz die Pause-Taste drücken und für einen Moment die Augen entspannen um zu SEHEN. Was passiert hier eigentlich? Wer oder was hat das Zeug dazu, einen solchen Abgrund zu kreieren und uns geradewegs darauf zusteuern zu lassen?
Wer oder was ist so mächtig, das Vorzeichen vor der Klammer des Lebens selbst umzukehren und den eigenen Lebensimpuls – das, was von sich aus immer leben will – zum Diener der eigenen Vernichtung zu machen?
Ich kenne nur eine Kraft, die das kann. Und das ist Scham. Scham verbrennt, Scham macht, dass ich nicht da sein will. Scham ist vernichtend.
Ein guter Grund, das Gefühl von Scham zum Feind zu erklären und aus dem persönlichen Erleben wie auch aus dem gesellschaftlichen Diskurs zu verbannen. Das ist unsere Realität. Die Menschheit ist beschämt. Und wir, die vielen Einzelnen, die wir die Menschheit ausmachen, haben es nicht gelernt, mit diesem Gefühl in Beziehung zu gehen. Wir kontrollieren unsere Erfahrungswelt, richten uns ein in den neu gezogenen Grenzen und wähnen uns in Sicherheit. Mit der Zeit können wir sogar vergessen, dass es jenseits dieser Grenzen noch etwas Anderes gibt.
Alles, was uns daran erinnern könnte, wird aus unserem kollektiven Gedächtnis gestrichen. Menschen und Ereignisse, die dieses ferne Gefühl in uns anklingen lassen, werden mit unseren schärfsten Waffen – Diskreditierung und Ignoranz – bekämpft. Über Generationen praktiziert wird das selbst gewählte Gefängnis zum Hochsicherheitstrakt und das Leben darin freudlos und ungemütlich. Wir schlagen uns in unserer eigenen Hölle die Köpfe ein.
Wovor wollten wir uns nochmal in Sicherheit bringen? Wo fing das Ganze noch mal an? Ah ja – Scham.
Die Scham-Blase „da draußen“ in ihrer Verbannung. Noch ein tiefer Atemzug, noch einmal der klare unverstellte Blick. Wir haben uns geirrt. Und unser Irrtum hat viel Schaden angerichtet. Menschen haben Menschen getötet. Beziehungen wurden geopfert. Gedanken wurden verbrannt.
Wie beschämend. Wie kommen wir hier jemals wieder raus? Wer soll das halten?
Dafür brauchen wir die Kraft und die Weisheit eines fast vergessenen Gefühls. Scham?
Haben wir etwa etwas übersehen? Gibt es andere Narrative über Scham – jenseits dieses einen Großen von der Angst vor Vernichtung?
Scham ist in seinem Ursprung ein Verbindungsgefühl. Wo finden wir die Geschichten, die wir noch nicht gehört haben? Ist schon mal jemand stehengeblieben und hat es wirklich gefühlt? Was passiert da eigentlich? Wie ist Menschsein mit und wie ist Menschsein ohne Scham? Weiß das Leben selbst etwas über Scham? Oder sind wir mit diesem intensiven grenzwertigen Gefühl auf uns allein gestellt?
Leben mit Scham – auf diesem Weg gibt es nicht so viele Vorbilder. Wie das geht müssen wir alleine herausfinden – zusammen. Neugier war schon immer ein guter Beginn.
Wenn ich mir meinen eigenen Weg anschaue, viele Jahre orientierungslos auf der Flucht, dafür mit einem fetten Sehnsuchtsfeuer im Gepäck … gebrochene Herzen, verpasste Chancen – die Angst vor Scham war oft der große Verhinderer! Und gleichzeitig Motor für meine Suche nach Wahrheit und Integrität. Inzwischen trage ich den magischen Schlüssel zum Schloss, mit dem ich meine Scham aus- und mich selbst einsperre, immer in meiner Hosentasche – als Türöffner für tiefe Verbindungen, Innovation und Kreativität. Shame for future?
More to come.
Sande-Ann – Menschsein-Forscherin und „shame gourmet“